Eines der Bücher, das ganz lange in Vergessenheit geraten ist, aber so lange Zeit präsent in meinem Leben und Denken war, dass es nur einen kleinen Anstoß braucht und alles ist wieder da: Das sind für mich die „Briefe an einen jungen Dichter“ von Rainer Maria Rilke. Eine Jugendliebe schenkte sie mir. Von der Liebe ist nichts mehr da, ein paar vage Erinnerungen vielleicht, ein verblichenes Foto, ein zurückgelassenes Skateboard und dieses schöne Buch.
Rainer Maria Rilke schrieb damals an Franz Xaver Kappus, der nicht wusste, ob er sich gegen die Offizierslaufbahn oder für das Schriftstellerleben entscheiden sollte. Rilke antwortet ihm und was er über das Leben, die Liebe, Kunst, über die Notwendigkeit des Schaffens sagt, sagt mir heute noch so viel wie damals als ich fünfzehn war und zwar glaubt schon alles zu wissen, aber auch ahnte, dass das da mehr sein musste.
Und vor einer Woche zitierte mir dann jemand diese Passage und es war alles wieder da. Es hat nichts an Aktualität verloren. Ich stehe wieder am Anfang.
„… und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.“